VORAUSSETZUNGSREICH GEHEN WIR ANS WERK

- Bemerken es kaum -
Wenn unser Organon der Sprache ein
„Ich denke“
In die Welt baut.

 

Kaum auf den Beinen fällt es schon,

Am Sog der Zeit,
Am Trug der Zeit
Und täuscht sich heimlich wieder in sie ein.

 

Jauchzend stellt es seine Hinterbeine auf,

Als auf weichem Boden sein Ich einfach nicht gelingen will,
Noch weniger sein Denken
Auf geschwächten Vorderläufen.

 

Was grad noch Tier, will jetzt schon Mensch sein,

Nur am Rand der Nacht wird ihm gewahr,

Was all die Zeit sein Schatten war:
Ein Meer aus Nicht-Gedachtem. 

 

 

 

GESCHICHTE, DU FUNDAMENTALE, DU DASEINS-GESTALTERIN!

Vor dir zittert das Wesen Mensch,
Wenn du ihn ummantelst,
Sein Werden in Prinzipien wickelst.

 

Gar fürchtet er dich,
Wenn dein Forschen
scientia ist,
Wenn
Subjekte, dich auf den Schultern tragend,

Zu sprechen beginnen.

 

Dann taucht der Wille zum Verstehen auf,

Vergisst er nur, dass Selbst-Verständnis

Zu den höchsten Künsten, ja
Zur letzten Kunst des Menschen zählt.

 

Erzählst Du dich, Geschichte?

Erzählen wir dich, Geschichte?

Bist Du das Haus unseres Seins,

In das wir einzogen,
Dich gleichwohl nie erbauten? 

 

 

 

MORAL - WIE KAMST DU IN DIE WELT?

In deinem Namen Menschen sterben,
In deinem Namen Menschen sich bewahren.

 

Hat Gott sie uns ins Ohr gerufen,

Sodass sein Wort uns Lehre sei,

Gleichviel Gott selbst gerufen wurde?

 

Oder schlug das Schwert an Vaters Hals

Tiefe Kerben in zerissenes Gewissen,

Fortan das Ich den Reue-Schatten

Schwer und stetig über sich ertrug?

 

Dann schaue noch, das Tier,
Ist dein Moralisieren denn mehr

Als der Ruf des Rudels,

Gedankenlos entwickelt auch in dir?

 

Moral - dein Woher im Nebel der Zeit,

Soll dein Wohin des Menschen Wohltat sein,

Wenn Pflicht und Freiheit sich umarmen. 

 

 

 

IM ZWEISCHRITT MIT NATUR UND DING,

In sinnlich‘ Arbeit
Ruht, was Mühe war
Und steht uns gegenüber
Als eignes Menschenwerk,

Erschöpft durch Wahl und Tat.

 

Zur Gattung hin heißt sich begrenzen

Im Selbst des Gleichen Antlitz,
Im Gegenlauf bleibt nur Entfremdung

Von dem, was einst das Eigen war,

Verwertlost in abstrakten Mitteln.

 

Einander hebt sich Freiheit

In Bedürfnis und Gestalt

Dem Menschen näher,

Ihm, sein erstes Wollen. 

 

 

 

WAHRHEIT, DU KLINGST MIR WIE EIN DING,

Als könnt ich‘s fassen,
Als könnt ich‘s biegen
Auf sich zurück
Und von sich weg.

 

In Wahrheit gibt es nur Bedeutung,

Nur niemand wagte zu behaupten,

Bedeutetes sei wahr.

 

Spring‘ tief vorbei
An Sprache und an Form,

Kann Sätze doch verstehen,

Nicht wissend, ob sie wahr.

 

So frag ich mich,
Was da geschieht,
Wenn Wahres meine Lippen kreuzt.

 

Viel lieber will ich schweigen

Mit alter Träne Sehnsucht,

Als Aura noch
Bei Werk und Wahrheit stand.

 

 

VOM SEIENDEN ENTZWEIT

Natur
Bewegtes in die Welt,

Getrieben von Verfall,

Getrieben von Erhalt.

 

Des Menschen Werk verharrt,

Bleibt müd und träge liegen,

Begierig nach Bewegung

Am Atem der Natur.

 

Fragt sich, welch Natur es sei,

So kennt es zwei,

Materie und Form.

 

Wo sie sich küssen,
Ragt ein Ding aus sich heraus,

Begründet sich am Urquell

Von Prozess und Zweck,

Mal als Schatten,
Mal als Jetzt.

 

Am Ende erwachen beide,

Natur und Mensch,

Vom Schlaf enthoben

Noch trunken zu erkennen,

Ein stummes Um-zu sie verband. 

 

 

 

BEWOHNEN GEMEINSAM KULTUR,

Dieses endlos geflochtene,

Farbenfrohe Gewebenest.

Errichten seit Jahrtausenden

Dies‘ konnektive Gebälk,

Spannen es mutig auf,
In Zeit, Raum, über sie hinweg.

 

In ritueller Strenge

Entrinnt Vertrauen stetig

Unseren diachronen Poren,

Orientiert uns am anderen Uns,

Indem wir Erinnertes bedeuten,

Bedeutsames erinnern,
- Etwas verloren -
Im entgrenzten Speicher

Subjektiver Kollektivität. 

 

Der vollständige Gedichtband ist hier erhältlich.

AUFLÖSUNG

 

Rieb mir die Augen,

Blieb blind zurück.

Saugte gierig an einem Geräusch,

Hing taub in der Welt.

So wie mein Sprechen

Erstarb meine Sprache.

Kroch mühsam umher,

Griff mit zerfurchten Händen 

Nach Worten aus Stein.

Weiß nicht, ob sie meine waren.

 

 

STACHELHERZ

 

Läufst mir in die Arme

Und stirbst in ihnen,

Leise blutend an meinem Stachelherz.

 

 

GEDANKENROSEN

 

Ein welkes Café-Schiff im Sprühregen entlässt 

Dunstwolken aus klapperndem 

Sprach-Geschirr.

Am Steuer ein Blumen-Kapitän,

Sein Schweigen dirigiert

Die ziellose Arche Noah

Zum Rosen-Leuchtturm.

Jener Duft streichelt die Noch-Fein-Sinnigen

Und wendet ihre Gesichter sekundenweise

Ins gleißende Licht 

Entrückter Geist-Kultur.

 

 

STADTSCHATTEN

 

Mein Blick gleitet an dir vorbei,

Unmerklich, unsterblich,

Verwandelt sich und dich

In gefrorenes Mosaik.

Entlebt uns, entatmet uns

Von der Glieder Fluss

Und stanzt uns in diesseitiges Jenseits

Bis ein greller Schrei

– Niemand weiß woher –

Uns in tausend Stücken treibt

Ins unbändige Meer.

 

 

AUTOPOET

 

Erwarte keine Ehre, denn

Ich sehe dich von hinten,

Seh dich sitzen in Verzweiflung

Vor Papier, das langsam spricht.

Was du gebärst in deinem Kopfe

Wird Falten ziehn auf deiner Haut,

Wird Gabe sein, wenn deine Braut 

Dich küsst und lässt

Versöhnung singen jenem Kampf.

Wenn aus deinem Antlitz

Menschen sich befreien,

Dann löst sich alter Knoten

In die Weite und du dich.

Dann schreite, schreite

Bis du dich siehst: mich.

 

 

NIETZSCHE

 

Nun bäum dich auf, Mensch!

Zu zäh fließt du vorbei an der Zeit,

Sodass Geschichte dich einholen kann.

 

Nun schau dich an, Mensch!

Dieses maskenhafte Spiel, immer noch ...

Kein Schnitt beseitigt dir diese ewige Falte.

 

Nun lach dich frei, Mensch!

Dieser Zustand entbindet dir

Den jüngsten Sohn:

Er giert nach Lebenslust.

 

 

NACHT

 

Sanft legst du dich auf den Tag

Und bringst den wohlverdienten Schlaf,

Atmest tief und ruhig, erhaben und weise,

Ich spür dir nach und reise

Mit dir durch Raum und Traum.

Mir zeigend, wer ich wirklich bin

Versteh ich dich mehr und mehr,

Kehrst ewig wieder wie die Flut im Meer:

Bist der Tod und raffst die Illusion dahin.

 

 

ZUGREISE

 

Ein Gemälde, das niemals still steht.

Meine Augen kleben an den Horizont-Wolken,

Doch garstig schlingert das Naturschöne

Erdseitig am Gemälderand vorbei.

Rücklings zum Ziel ist es, als könne ich

In die Vergangenheit blicken.

Eine Endlos-Schleife im ‚Heterotopos’,

Der in sich zerfließt, sobald die Gegenwart

Ihn festhalten möchte.

Dieses horizontale Ziehen ist wie ein

Atemloses Ausatmen in eine Bilderflut,

Als die Ebene eintritt: Ich steige aus.

 

 

ANDERNORTS

 

Wo niemals wir waren, andernorts,

Nach langer, welker Reise, leise,

Wird das Leben uns entbinden.

 

Welches auch das letzte Wort,

Es wird uns finden,

Uns binden an den Anders-Ort.

Dann reise, leise,

Und lausche deiner Seele.

 

Der vollständige Gedichtband ist hier erhältlich.